Field Guard Roger
Amerikaner sind die nettesten Menschen der Welt. Zum Beispiel Roger, Platzwart im Baseball Stadion der Colorado Rockies. Als er hörte, dass ich gerade das erste Spiel meines Lebens besuche, schenkte er mir seinen Baseball. Unterschrieben mit „Field Guard Roger“. Einen echten, superharten, superbegehrten Rawlings Baseball mit roter Naht verschenkt er pro Spiel. Einen einzigen! Außerdem wollte Roger wissen, woher ich komme. Munich, sagte ich. „Great,“ sagte er.
Die gleiche Unterhaltung hatte sich bereits beim Einlass ins Stadion abgespielt, als ich den Kartenkontrolleur nach dem Weg zu meinem Platz gefragt hatte. Außerdem tags zuvor in der Schlange des Fast Food Restaurants meiner Wahl. Sohn und ich diskutierten gerade die Menüfolge (Hamburger oder Cheeseburger oder Pommes) auf Deutsch, als der ältere Herr hinter uns nicht etwa nervös wurde ob der sich verlängernden Wartezeit, sondern interessiert fragte: „Where are you from?“ Als er mit seiner Bestellung später unseren Tisch passierte, hielt er kurz an: „I hope you are having fun. Welcome in America!“
Auch ich bin freundlich zu Fremden, wenn sie mich am Münchner Marienplatz nach dem Weg ins Hofbräuhaus fragen. Gedanklich aber rolle ich mit den Augen. Meistens bin genervt von den betrunkenen Touristen, die in Schlangenlinien durch den Englischen Garten kurven. Nie würde ich auf die Idee kommen, mir unbekannten Radl-Beginnern zuzuwinken, ihnen „have fun in Munich“ entgegen zu flöten oder sie darauf hinzuweisen, dass sie zur Eisbachwelle die andere Richtung einschlagen müssen. Ich fühle mich schlicht nicht verantwortlich für das Wohl der Zugereisten in meiner Umgebung. Was mir jedes Mal beschämt auffällt, wenn wieder ein Mensch aus Amerika nett zu mir ist. Obwohl er es nicht müsste.
Gleich am ersten Arbeitstag lud mich zum Beispiel meine Chefin bei der Denver Post zum Wochenendausflug in die Rockies ein. Gemeinsam mit ihrer Familie wäre sie mit mir wandern gegangen. Unvorstellbar, dass ein deutscher Chef auf die Idee kommt, einem Mitarbeiter auf Zeit bei der nächstbesten Gelegenheit die eigene Familie vorzustellen. Leider musste ich absagen, weil mich meine Vermieterin tags zuvor am Samstag zum Barbecue eingeladen hatte.
Sobald sich Kollegen nach Redaktionsschluss zum Ausgehen verabreden, fragen sie mich, ob ich mitkommen will. Die Karten in der ersten Reihe des Baseball Stadions von Denver verdanke ich meinen Kolleginnen Beth und Danika.
Ich habe mir fest vorgenommen, diese Offenheit Neuen und Neuem gegenüber, nach Bayern zu importieren.