Fürchtet euch nicht

Versteht man die Ampelkoalitionäre richtig, wird die Ehe ein zivilrechtlicher Vertrag unter vielen.

»Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen.« Wie ernst sie es damit meint, hat die neue Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) nun noch einmal deutlich gemacht, als sie einen »Paradigmenwechsel« im Familienrecht ankündigte.

Die neue Regierung will mit alten familienpolitischen Idealen Schluss machen. Es ist auch höchste Zeit, kommentiere ich im Leitartikel der Spiegel-Weihnachtsausgabe.

Blickt man in die Geschichtsbücher oder in die Bibel, dann ist das, was wir in Deutschland häufig als bürgerliches Familienideal vor Augen haben, eher die Ausnahme. Seuchen, Kriege oder Hungersnöte sorgten früher dafür, dass verstorbene Partnerinnen und Partner mitunter schnell ersetzt werden mussten und Patchworkfamilien vielleicht nicht gesellschaftlich anerkannt, aber immer schon real waren.

Dass der Mann arbeitet und seine Gemahlin die Kinder hütet, war jedenfalls laut einem Text der Bundeszentrale für politische Bildung eher »eine historische Ausnahmesituation in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in westlichen Gesellschaften Europas und Nordamerikas«. In diesen zwei Jahrzehnten, in der Familienforschung als »Golden Age of Marriage« bezeichnet, konnte sich für einen kurzen Zeitraum ein bestimmtes Familienmodell durchsetzen, das seitdem »als Hintergrundfolie« diene, um heutige Familienformen zu beurteilen.

Es ist richtig, wenn die neue Regierung offenbar ernsthaft versucht, sich vom Ideal und den damit verbundenen Privilegien für vermeintlich konventionelle Familienformen zu lösen. Zumal keiner Familie Geld oder Liebe weggenommen wird, damit andere mehr davon haben.